Contact us

29.07.2022

Der Faktor Mensch – Ansätze zur Personalplanung und Mitarbeitendenbindung von morgen

Angesichts eines zunehmend angespannten Arbeitsmarktes fällt es vielen Unternehmen schwer, ausreichend Personal einzustellen und zu binden. Umso wichtiger ist es, in sicheren Arbeitsumgebungen das Engagement wie auch die Gesundheit der Mitarbeitenden zu fördern. Das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (kurz: IML) in Dortmund widmet zahlreiche Forschungsreihen den Herausforderungen und Chancen, die das digitale Zeitalter bietet. Technologien stehen klar im Fokus. Doch der Faktor Mensch darf dabei nicht ins Hintertreffen geraten.

Das Fraunhofer IML beobachtet die Entwicklungen in der Logistik genau und sieht die Branche vor wachsenden Herausforderungen. Besonders in Westeuropa zeichnen sich seit Jahren weitreichende Digitalisierungs- und Automatisierungstendenzen ab. Bei der Optimierung der logistischen Prozesse setzen Unternehmen deutliche Akzente, etwa durch die Einführung intelligenter Software- und Automatisierungskomponenten. Die Schwerpunkte des Instituts liegen auf der Forschung, Entwicklung und dem Transfer in die Industrie, wobei die Themen der Produkt- und IT-Entwicklung für die Logistik im Vordergrund stehen. Im Rahmen dieser Forschungstätigkeiten wird auch die Mensch-Maschinen-Schnittstelle untersucht. Ob Stapler im Wareneingang, Roboter in der Kommissionierung oder Handhelds im Versandbereich – Schnittstellen wie diese gibt es in der Logistik inzwischen zuhauf.

„It’s all about technology“, könnte man meinen. Dagegen dreht sich in der Logistik immer noch vieles um den Menschen selbst. Der Trend rund um den Einsatz autonomer mobiler Roboter (AMR) und Fahrerlose Transportsysteme (engl. AGV) hilft nicht immer über die spürbare Personalnot hinweg. Zu stark sind die logistischen Prozesse in Deutschland noch immer an den Menschen gekoppelt, ergab auch die RPS-Studie des Fraunhofer IML, die Ansätze und Methoden der Personalplanung und -steuerung untersucht hat. Unter 77 lagerbetreibenden Unternehmen mit Hauptsitz in Europa beschäftigen über 40 % mehr als 500 Mitarbeitende, wovon wiederum 65 % sogar mehr als 1.000 Personen einsetzen.

 

[Abbildung: Anzahl der Mitarbeitenden bei befragten lagerbetreibenden und softwareanbietenden Unternehmen]

 

Obwohl der Faktor Mensch zuweilen oft stark unterschätzt wird, spielt eine flexible Arbeitsplatzgestaltung eine immer wichtigere Rolle. Forschungsreihen ergaben, dass eine langfristige Mitarbeitendenbindung Maßnahmen erfordert, die verstärkt auf individuelle Gegebenheiten eingehen. Optimierungsansätze müssen vor diesem Hintergrund etwa die Lagertopologie, das Artikelspektrum (z.B. Größe, Schwere der Artikel), die Personaldemographie und unternehmensspezifische Fluktuationsrate berücksichtigen. Eine Reihe an Faktoren bestimmt letztlich, zu welchem Grad technologische Ansätze auch eine tatsächliche Unterstützung für den individuellen Personalbestand bieten.

 

Bei einem Großteil der Logistikunternehmen besteht dagegen Handlungsbedarf. In unserer alternden, leistungsorientierten Gesellschaft werden in der Logistik kaum Maßnahmen lanciert, um die Mitarbeitendenplanung und -steuerung dediziert zu optimieren. Hilfreich sind Lösungen, die auch ergonomische Vorteile bieten und präventiv gegensteuern, um die Belastung seitens der Mitarbeitenden gering zu halten. Das kann bei einer flexiblen Pausengestaltung beginnen, geht in manchen Unternehmen aber auch bis zum Einsatz von Exoskeletten zur Unterstützung körperlicher Tätigkeiten im Umgang mit schweren Waren. Die ergonomische Arbeitsorganisation nimmt in unterschiedlichen Forschungsreihen des Instituts einen besonderen Stellenwert ein, da ein ganzheitlicher Ansatz vor allem langfristig auf das Wohlbefinden der Mitarbeitenden einzahlt.

 

Um die Ergonomie der Mitarbeitenden zu fördern, ist aber auch der Blick auf Technologieansätze sinnvoll. Hier sind beispielsweise Voice-Lösungen zu nennen. Diese vereinen eine Reihe Mehrwerte aus ergonomischer und auch prozessualer Sicht, indem sie ortsunabhängig verbales Feedback zurückspielen. Mehrsprachige Lösungen verringern Sprachbarrieren und verknüpfen technische Vorteile mit inklusiven Aspekten der Mitarbeitendenorganisation. Den individuellen Potenzialen und Einsatzgebieten von Kommissioniertechnologien  geht das Fraunhofer IML im „Picking Lab“ gezielt nach, um im Test- und Simulationskontext verschiedene Kommissioniertechnologien auf die Probe zu stellen. Dort profitieren Forschung und Öffentlichkeit gelichermaßen, da auch Unternehmen Zugang erhalten, um Entwicklungen der Forschungspartner oder Eigenentwicklungen zu testen, um eine Entscheidungsgrundlage für die passende Hard- und Software in ihrem Kommissionierlager zu erhalten.

 

Doch auch hier gilt: Jedes Lager ist anders und bedarf angesichts der jeweiligen Umgebung individueller Lösungsansätze, dank derer Mitarbeitende langfristig unterstützt und gebunden werden. Ein Patentrezept gibt es nicht. Aspekte der Arbeitsplatzgestaltung und -organisation sollten bei der ganzheitlichen Betrachtung des Logistiknetzwerks allerdings nie außer Acht gelassen werden, um dem Faktor Mensch in der Logistik gerecht zu werden.

Back to top
Back to top